Interregionale Fachtagung

„ERNEUERBARE ENERGIEN – GERECHTFERTIGTER DENN JE!“

Courant d’Air hat am 17.01.2017 eine interregionale Fachtagung mit dem Titel „Erneuerbare Energien – Gerechtfertigter denn je!“ in Eupen organisiert. Ziel der Fachtagung war es, das Potential der erneuerbaren Energien zu erörtern, den Akteuren die Entwicklungen der Energiewende zu erklären, letzte Zweifel zu beseitigen und die Chancen für lokale Akteure wie Bürger, Gemeinden und Genossenschaften aufzuzeigen.

International renommierte Experten und Wissenschaftler waren anwesend, um die verschiedenen Aspekte der erneuerbaren Energien zu beleuchten: Ihre gesellschaftliche Relevanz, die technischen Herausforderungen, die wirtschaftlichen Vorteile, sowie ihre Wichtigkeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Vormittags wurden die Themen im Plenum behandelt, wogegen nachmittags im Rahmen von 4 getrennten Workshops konkrete Beispiele vorgestellt und diskutiert wurden.

Der Europasaal des Ministeriums war mit etwas mehr als 230 Besuchern quasi bis auf den letzten Platz gefüllt. Vertreter aus Politik und Verwaltungen, sowie Mitglieder von Umweltorganisationen, Genossenschaften und Studienbüros hatten sich zu dieser Tagung von hohem Niveau eingefunden.

Craig Morris, unabhängiger Journalist und Co-Autor des Buches „Energy Democracy“, hat den Vormittag moderiert, der in 4 Sprachen simultan übersetzt wurde.

Ministerpräsident Oliver Paasch durfte die Teilnehmer begrüßen. Er nutzte die Gelegenheit, die Bestrebungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Sachen nachhaltige Energieversorgung zu erläutern, auch wenn die DG in diesem Bereich aufgrund fehlender Kompetenzen nur begrenzte Aktionsmöglichkeiten hat. Er erwähnte das vom Wuppertaler Institut ausgearbeitete Energieleitbild und zählte konkrete Beispiele von Umsetzungen in der DG auf.

Anschließend stellte Dirk Vansintjan, als Präsident, REScoop.EU, den europäischen Dachverband der Bürger-Energiegenossenschaften, vor. Mit einem kleinen Rundgang durch Europa verdeutlichte er die Ausdehnung dieser Bürgerbewegung, die von England über Kroatien bis hin nach Griechenland reicht, und 2.600 Genossenschaften mit etwa 650.000 Mitglieder umfasst.

Einen sehr gedankenreichen Vortrag hat Gérard Magnin, Ex-Verwaltungsratsmitglied von EDF, Gründer von ENERGYCITIES und Präsident der französischen Genossenschaft JURASCIC, zum ersten Aspekt, der Relevanz der erneuerbaren Energien in der heutigen Welt, gehalten. Herr Magnin sprach u.a. von den grundlegenden Werten an denen unsere Gesellschaft sich ausrichtet, wie etwa das Bestreben nach Frieden und Demokratie, die intergenerationelle Solidarität oder, dass natürliche Ressourcen ein Gemeingut sind, um nur einige zu nennen. Beurteilt man die Energieversorgung in Anbetracht dieser Werte, dann ist die Antwort zweifelsohne die, dass nur die erneuerbaren Energien ihnen gerecht werden können.

Henrik Lund, Professor an der Universität Aalborg in Kopenhagen, „Sustainable Energy Planning Research Group“, hat den Aspekt der technischen und wirtschaftlichen Bedeutung einer Umstellung auf 100% erneuerbare Energien in Europa beleuchtet. Professor Lund erklärte zum Beispiel, dass ein wirklich smartes Energie-System neben dem Stromsektor die Bereiche Wärme, Mobilität und Industrie mit einbezieht. Dies sei auch der Schlüssel zu einer kosteneffizienten Umstellung auf 100% erneuerbare Energien. Des Weiteren stellte Prof. Lund die 9 Etappen eines Umstiegs auf 100% erneuerbare Energien, vom Abschalten der Kernkraftwerke bis hin zur letzten Etappe, das Ersetzen des Erdgases, vor. Für alle Etappen gäbe es technische Lösungen die auch finanziell tragbar seien. Der komplette Umstieg sei nicht mehr nur ein Traum! Dass die Energiewende ein Traum sei, das wurde ihm vor Jahren bei einer Konferenz vorgeworfen. Damals hatte er geantwortet, dass alles andere ein Alptraum sei. Dänemark schreitet jedenfalls voran. Schon vor vielen Jahren wurden die Zielsetzungen in Sachen Energieversorgung auf Ebene des Parlamentes debattiert. Seit dem besteht ein Konsens der mehrere Regierungen überdauert hat. Dänemark beabsichtigt bis 2050 frei von fossiler und nuklearer Energie zu sein.

Herr Jonathan Bonadio der europäischen Kommission, DG Energy, der kurzfristig sein Kommen angekündigt hatte, stellte vor der Kaffeepause im Eiltempo einige Punkte der neuen Energiepolitik der EU vor. Die Energieeffizienz wird an Nummer 1 stehen. Weiter sollen die Anstrengungen in Sachen erneuerbare Energien fortgesetzt werden. Bedauerlich sei, dass die Zielsetzungen nur für gesamt Europa gelten, und nicht in nationale Ziele umgesetzt worden seien. Verbrauchern und lokalen Energie-Gemeinschaften würde jedenfalls in Zukunft eine wichtigere Rolle zuteilwerden.

Nach einer kurzen Pause wurde der wirtschaftliche Aspekt unter dem Titel „Der territoriale Ansatz der Entwicklung der erneuerbaren Energien, deutsches Beispiel der Berechnung der regionalen Wertschöpfung“ durch Peter Heck, Professor und Verantwortlicher der Umweltabteilung des IFAS (Institut für angewandtes Stromstoffmanagement) Trier, vorgestellt. Zu Beginn seines Vortrages hat Professor Heck die enormen Ausgaben für fossile Energieimporte (Öl, Gas, Steinkohle) in Deutschland angesprochen: 100 Mrd. Euro in 2014, was 3,5% des deutschen BIP entspricht. In der Summe waren es von 2000-2013 rund 830 Mrd. Euro, und werden es von 2013 bis 2030 geschätzt über 2.000 Mrd. Euro sein. In diesem Zusammenhang führte Prof. Heck den Teilnehmern bei der Kostenfrage eine einfache Tatsache vor Augen: den Unterschied zwischen Ausgeben und Investieren. Anhand zahlreicher Beispiele führte Prof. Heck die enorme Wertschöpfung, u.a. auch in Punkto Beschäftigung, an, die erzielt werden kann, wenn Geld in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert wird. Abgeschlossen hat Prof. Heck seinen Vortrag mit einem Zitat von Mahatma Gandhi: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“

Thierry Hance, Professor an der katholischen Universität Leuven und Direktor des Bereichs Biodiversität am Life and Earth Institute, hat den 4. Aspekt unter die Lupe genommen: Die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Biodiversität und die damit verbundene Wichtigkeit der erneuerbaren Energien. Professor Hance machte deutlich, dass sich die Biodiversität in einer tiefen Krise befindet. Der Einfluss des Klimawandels auf die Biodiversität sei unbestreitbar und erheblich und die Auswirkungen seien sehr vielseitig: Veränderung der durchschnittlichen Temperatur, der Temperaturextreme, der Jahreszeiten und der Frequenz und Intensität der Regenfälle, Veränderung des Säuregehalts der Meere und deren Strömungen, sowie viele weitere Veränderungen. Viele Tiere und Pflanzen hätten nicht die Möglichkeiten sich genügend schnell anzupassen, wodurch sie durch natürliche Selektion für immer verschwinden. Schlussfolgernd führt Prof. Hance die Zahlen zweier Studien auf, nämlich, dass 15 bis 37% der weltweiten Tierpopulationen vom Aussterben bedroht seien, und dies in Europa der Fall für 41 bis 63% der Pflanzenarten sei.

Nach dem 4. Beitrag, ging es in die wohlverdiente Mittagspause. Bei Suppe und Sandwich hatten die Teilnehmer die Gelegenheit zum Networking oder sich an den Ständen der Konferenzpartner (Europe Direct, Euregio Maas-Rhein, Cercle des Naturalistes de Belgique, Patrimoine Nature, Deutschsprachige Gemeinschaft, …) zu informieren.

Im Nachmittag wurden dann vier parallel laufende Workshops angeboten, die in etwa den 4 Themen des Vormittages entsprachen. Die Teilnehmer hatten sich im Vorfeld für 1-2 dieser Workshops entscheiden müssen.

Im Workshop 1 wurde auf die Thematik „Windparks und Vogelwelt“ näher eingegangen. Herr Jean-Yves Paquet, Direktor der Studienabteilung von AVES – Natagora, hatte als Thema „Die Entwicklung des Bestands und Verbreitung des Rotmilans in Belgien“. Der Rotmilan läuft einigen Fachleuten zufolge das Risiko von Windrädern erfasst zu werden. Herr Paquet gab Erklärungen zur sehr positiven Entwicklung des Bestands des Rotmilans in unserem Land, der auf 10 Jahre eine Verdoppelung auf 300-350 Paaren erfahren hat. Für das Kerngebiet des Rotmilans, sprich die 5 südlichen Gemeinden der DG, äußerte Herr Paquet seinen Standpunkt, dass weitere Windparks vermieden werden sollten. Herr Oliver Kohle, Direktor des Studienbüros Kohle Nusbaumer SA, das in erneuerbare Energien und Umweltschutz in der Schweiz spezialisiert ist, gab Erklärungen zur Auswirkung der Windparks auf die Greifvögel in Deutschland. Herr Kohle zufolge sind die Auswirkungen von Windrädern auf Greifvögel, darunter dem Rotmilan, begrenzt, und in Anbetracht einer Reihe anderer und darunter bedeutender Ursachen (Mittelspannungs-Stromleitungen, intensive Agrarwirtschaft, Verkehr), zu relativieren. Ein dritter Beitrag wurde von Herrn Agustin Rioperez (Spanien) gegeben, der das System DTBird zur Ortung der Vögel in Windradnähe erklärte. Das System ermöglicht mit Geräuschen Greifvögel von Windrädern fernzuhalten oder auch den Stillstand des Rotors zu veranlassen, sollte der Vogel seine Flugbahn fortsetzen. Moderiert wurde dieser Workshop von Herr Christophe Schoune, Generalsekretär von Inter-Environnement Wallonie. Professor Hance appellierte im Rahmen der Synthese des Tages, einen Konflikt zwischen Umweltschutz und Artenschutz zu vermeiden, und angesichts der Herausforderungen in der Energieversorgung und der Notwendigkeit der weiteren Entwicklung der erneuerbaren Energien, zusammen zu arbeiten.

Im 2. Workshop stellten Yves Marenne, wissenschaftlicher Direktor am ICEDD, und Jan DUERINCK, Wissenschaftler am VITO, das Modell für „100% erneuerbare Energien in Belgien im Jahr 2050“ vor. Sie zeigten auf, dass auch in Belgien

der Umstieg möglich und vor allem auch finanziell tragbar ist.

Im Workshop 3, „Die Energiewende in Deutschland: Ausgangspunkt einer Energiedemokratie“, erklärte Herr Morris, Moderator des Vormittags, den Unterschied in der gesellschaftlichen Akzeptanz für einen Umstieg auf erneuerbare Energien, ob dieser von unten, d.h. von den Bürgern angetrieben wird, oder von oben, sprich der Politik, angeordnet wird. In Kanada beispielsweise war die Akzeptanz begrenzt, weil der Antrieb vor allem von der Politik kam.

Im Workshop 4, moderiert durch Relinde Baeten der Genossenschaft Ecopower, wurden Best Practices der Zusammenarbeit zwischen Energiegenossenschaften und Gemeinden, sowie das europäische Horizont 2020 Projekt REScoop.MECISE vorgestellt. Neben einem Beitrag von Yoeri Vastersavendts, Schöffe der Gemeinde Asse, wurden eine Reihe Beispiele von Kooperationen durch die Bürger-Genossenschaften Ecopower (Flandern), Courant d’Air, Energy 4 All (England), Som Energia (Spanien) und Enercoop (Frankreich) vorgestellt. Die genannten Kooperativen sind Partner im Horizont 2020 Projekt und haben sich am Vortag der Konferenz zu einem Meeting im Naturparkzentrum Botrange getroffen.

Frau Doerte Fouquet, Direktorin der EREF (European Renewable Energies Federation), kam zum Abschluss die Aufgabe zuteil, den Tag und die Beiträge in Form einer Synthese Revue passieren zu lassen, bevor sie die Teilnehmer zu einem Umtrunk mit Verköstigung lokaler Biere einlud.

Zusammengefasst wurde bei dieser Fachtagung unmissverständlich deutlich, dass es keine Alternative zu einem Umstieg auf die erneuerbaren Energien gibt. Die erneuerbaren Energien werden immer günstiger, für alle Etappen gibt es technische Lösungen, sie werden helfen, dass sich die katastrophalen Auswirkungen auf die Biodiversität nicht weiter fortsetzen, sie ermöglichen, dass wir wieder unseren grundlegenden Werten näher kommen, und nicht zuletzt, führen sie dazu, dass wir Bürger zu verantwortungsvollen Akteuren werden können, die unsere Gesellschaft wahrhaft mitgestalten. Die erneuerbaren Energien sind zweifelsohne gerechtfertigter denn je.

Minister-Präsident Oliver Paasch (DG Belgien)

Dirk Vansintjan (REScoop.eu)

Gérard Magnin (Energy Cities, Jurascic)

Prof. Henrik Lund (Universität Aalborg, Kopenhagen)

Jonathan Bonadio (European Commission – DG Energy)

Dr. Peter Heck (IFAS – Universität Trier)

Thierry Hance (Université catholique de Louvain)

Yoeri Vasteravendts (Gemeinde Asse)

Karel Derveaux (Ecopower)

Mario Heukemes (Courant d’Air)

Mark Luntley (Energy4All)

Paul Phare (Energy4All)

Nuri Palmada (SomEnergia)

Maelle Guillou (Enercoop.fr)